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Alkohol-assoziierte Steatohepatitis (ASH)

Definition

Erhöhter Alkoholkonsum über einen längeren Zeitraum kann zu Lebersteatose mit chronischer Inflammation oder zur Entwicklung einer alkohol-assoziierten Steatohepatitis (ASH) führen 1. Histologisch sind neben der Steatose die hepatozelluläre Ballonierung, Nekrose und lobuläre Entzündung wichtige morphologische Merkmale der Steatohepatitis 2. Als kritische Menge gilt die Einnahme von 30 g Alkohol (Ethanol) pro Tag, wobei es auch geschlechtsspezifische Risikomengen gibt: 7 Einheiten für Frauen und 14 Einheiten für Männer 3,4. Die ASH kann zu einer fortschreitenden Vernarbung der Leber und einer Leberzirrhose mit assoziierten Komplikationen führen.

Die akute ASH ist ein akutes Krankheitsbild mit Bilirubinanstieg, Verschlechterung der Leberfunktion und, je nach Schweregrad, hepatischer Enzephalopathie und anderen Komplikationen. Diese akute Dekompensation tritt bei Patient:innen mit einer kompletten Leberzirrhose oder einer fortgeschrittenen Leberfibrose auf. Alkohol wurde in der Regel bis zur akuten Verschlechterung oder kurz davor konsumiert. Die akute ASH wird mit Steroiden behandelt. Bei Nichtansprechen auf die Therapie ist die Prognose schlecht und das Mortalitätsrisiko hoch. 1

Auswirkungen auf den Ernährungszustand

Während regelmässige Alkoholkonsument:innen aufgrund der zusätzlichen Kalorien von 7.1 kcal/g Ethanol zu Übergewicht tendieren, sind fast 100% der chronisch Alkoholkranken mangelernährt. Ursache sind eine unzureichende Nahrungsaufnahme (Anorexie), eine veränderte Verdauung und Absorption verschiedener Makro- und Mikronährstoffe und ein erhöhter Proteinkatabolismus 5,6. Der Grad der Mangelernährung korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung sowie mit der Prognose. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung der Mangelernährung ist daher entscheidend 7. Bei fortgeschrittener chronischer ASH mit fortgeschrittener Vernarbung ist die Glykogenspeicherkapazität vermindert, so dass eine längere Nahrungskarenz vermieden werden sollte, um den Proteinkatabolismus zu reduzieren 8.

Da der akuten alkoholischen Hepatitis in der Regel ein längerer erhöhter Alkoholkonsum und eine einseitige mangelhafte Ernährung vorausgehen, muss bei diesen Patient:innen von einer klinisch relevanten Mangelernährung ausgegangen werden 8.

Nährstoffbedarf von Patient:innen mit einer alkohol-assoziierten Steatohepatitis. Anpassungen nötig für mangelernährte Patient:innen, körperliche Aktivität und Alter der Patient:innen. Als Gewicht gilt das Adjusted Body Weight (ADJ) ab BMI 28, ansonsten das Körpergewicht vor Spitaleintritt.
KG = Körpergewicht; d = Tag

Nährstoff Täglicher Bedarf (pro kg KG)
Protein 1.5

g/kg KG/d 7

Energie 30 35

kcal/kg KG/d 7

Flüssigkeit Gemäss

ärztl. Verordnung

Bitte füllen Sie das Gewicht aus

Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente

  • Abdeckung Tagesbedarf
  • Wasserlösliche Vitamine:
    • Mangel an B Vitaminen (v.a. Thiamin und Folsäure) häufig, Verabreichung von Multivitamin-Präparaten angemessen aufgrund hoher Prävalenz eines Defizits
    • Thiamin Supplementation soll standardmässig verbreicht werden um Wernicke-Enzephalopathie und Korsakow-Syndrom vorzubeugen 1
  • Fettlösliche Vitamine: Mangel an Vitamin A und D, sowie anderen fettlöslichen Vitaminen häufig 6
  • Spurenelemente: schwerer Zink Mangel häufig 6; eine Substitution von 30 bis 60 mg pro Tag ist oft erforderlich, um das bestehende Defizit zu kompensieren

Ziel der Ernährungstherapie

  • Aufrechterhalten oder Verbesserung des Ernährungszustandes
  • Vermeidung von Mangelernährung oder von Nährstoffdefiziten
  • Reduktion der Nüchternphasen auf maximal 12 Stunden; bei akuten ASH Nüchternphasen von maximal 8 Stunden anstreben
  • Abstinenz von Alkohol

Der Energie- und Proteinbedarf sollte, wenn immer möglich, mit oraler Ernährung gedeckt werden. Falls mit Anreicherung, Zwischenmahlzeiten oder Trinknahrungen weniger als 75% des Bedarfs gedeckt werden, sollte spätestens nach 5 Tagen auf enterale Ernährung als Ergänzung eskaliert werden. Eine komplementäre parenterale Ernährung ist indiziert, wenn weniger als 75% des Bedarfes durch enterale plus/minus orale Ernährung gedeckt wird. Details siehe Kapitel enterale und parenterale Ernährung.

Allgemeine Ernährungsempfehlungen

Alkoholabstinenz ist ein zentraler Aspekt der Therapie und kann zur vollständige Wiederherstellung der Leberfunktion bei milder bis moderater ASH beitragen 6. Eine individuelle Ernährungstherapie sollte mit Hilfe des klinischen Ernährungsteams festgelegt werden, um die spezifischen Bedürfnisse polymorbiden und stark mangelernährten Patient:innen abzudecken 8. Dies kann Überlebensrate, Leberfunktion, Behandlung der Enzephalopathie und Infektionsrate verbessern 7.

Bei Patient:innen mit schwerer akuter ASH kann eine parenterale Glukoseverabreichung erforderlich sein (2-3 g/kg Körpergewicht pro Tag, Dosisanpassung in Abhängigkeit von Glucose im Blut) 9.

Orale Ernährung

Grundsätzlich kann die Nahrung oral verabreicht werden, ausser bei Patient:innen ohne Husten- oder Schluckreflex. Trinknahrungen können helfen, den Nährstoffbedarf oral zu decken und sollten möglichst spätabends oder in der Nacht angeboten werden, um die Nüchternphase zu verkürzen 8. Bei Vorliegen einer Enzephalopathie sollten Spezialprodukte mit einem erhöhten Anteil an verzweigtkettigen Aminosäuren (branched-chain amino acids, BCAAs) evaluiert werden.

Enterale Ernährung

Bei Patient:innen ohne Enzephalopathie, welche ihren Kalorienbedarf auch mit Hilfe von ONS und Sip Feeds nicht oral decken können, sollte eine hyperkalorische (≥1.5 kcal pro mL) enterale Formula nasojejunal oder in Ausnahmefällen nasogastral verabreicht werden, sofern keine Kontraindikation wie z.B. ein Ileus, besteht 10. Es gibt keine Indizien, dass eine enterale Ernährung das Enzephalopathierisiko erhöht, auch nicht bei schweren akuten ASH. Tritt im Verlauf der enteralen Ernährung eine schwer zu kontrollierende hepatische Enzephalopathie auf, sollten spezielle Ernährungslösungen mit erhöhtem Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren eingesetzt werden 8.

Parenterale Ernährung

Wasser- und fettlösliche Vitamine sowie Spurenelemente müssen ab Beginn der parenteralen Ernährung täglich mindestens in der empfohlenen Tagesdosis verabreicht werden. Hält die Nahrungskarenz länger als 72 Stunden an, ist eine vollständige parenterale Ernährung indiziert 8.

Für die enterale und parenterale Ernährung werden Standardnährlösungen empfohlen, da bisher keine Studie eine erhöhte Wirksamkeit der Spezialprodukten aufzeigte. 

Praktische Hinweise, falls indiziert

  • Empfohlene Mahlzeitenzusammenstellung zur Deckung des erhöhten Energie- und Proteinbedarfs:
    • Zu jeder Hauptmahlzeit eine Stärkebeilage konsumieren, die Stärkebeilagen sollen mengenmässig den grössten Anteil der Mahlzeit ausmachen.
    • Zu jeder Hauptmahlzeit eine Proteinbeilage konsumieren, tierische und pflanzliche Proteinlieferanten einbeziehen, die Proteinzufuhr dem Bedarf anpassen.
    • Fette und Öle für die Zubereitung verwenden, Menükomponenten zusätzlich damit anreichern.
    • Gemüse und Salat integrieren, jedoch mengenmässig reduzieren (Cave: Grosses Volumen, tiefer Energie- und Proteingehalt) und bei Völlegefühl weglassen.
    • Energiedichte Lebensmittel wie Süssgetränke, Fruchtsäfte, Süssigkeiten, Desserts, Nüsse und Süssungsmittel wie Zucker oder Honig regelmässig einbauen.
  • Generell sollen lange Nüchternphasen vermieden werden: Einnahme einer Trinknahrung oder einer kohlenhydrat- und proteinreichen Zwischen- und Spätmahlzeit sowie eine frühen Mahlzeit morgens, eine nächtliche Gabe der enteralen Ernährung ist zu bevorzugen 8.

Monitoring

  • Supplementierung von Vitaminen: Patient:innen mit Steatorrhoe, Cholestase oder Gallensalzdefizit; insbesondere bei chronisch erhöhtem Alkoholkonsum besteht oft ein Mangel an fettlösliche Vitaminen.
  • Supplementierung von Vitamin B aufgrund hoher Prävalenz eines Defizits oft standardmässig indiziert.
  • Supplementierung von Zink ist aufgrund hoher Prävalenz eines Defizits häufig frühzeitig indiziert; Zink ist ein wichtiges Spurenelement, das u.a. für die Proteinsynthese benötigt wird.
  • Supplementierung von Vitamin A und Zink zur indirekten Verbesserung des Ernährungszustandes durch Steigerung der gustatorischen Funktion.
  • Assessment der Mangelernährung mittels anthropometrischen Messungen wie BMI, Trizeps Hautfaltendicke, Mittelarm-Muskelbereich (mid-arm muscle area; MAMA), Bioimpedanz-Analyse oder indirekte Messung der Muskelmasse durch 24 h Kreatinin (1 g Kreatinin im Urin = 18.5 kg Muskelmasse, Cave: fehleranfällig aufgrund Sammelfehler) 6,8.

Medikamente/Supplemente

  • Vitaminpräparate:
    • Thiamin
    • Vitamin B-Komplex
    • Folsäure
    • Multivitaminpräparate
  • Zink
  1. Liver, E.A.f.t.S.o.t., EASL Clinical Practice Guidelines: Management of alcohol-related liver disease. J Hepatol, 2018. 69(1): p. 154-181.
  2. Alcoholic liver disease: morphological manifestations. Review by an international group. Lancet, 1981. 1(8222): p. 707-11.
  3. Becker, U., et al., Prediction of risk of liver disease by alcohol intake, sex, and age: a prospective population study. Hepatology, 1996. 23(5): p. 1025-9.
  4. Bellentani, S., et al., Drinking habits as cofactors of risk for alcohol induced liver damage. The Dionysos Study Group. Gut, 1997. 41(6): p. 845-50.
  5. Lieber, C.S., ALCOHOL: its metabolism and interaction with nutrients. Annu Rev Nutr, 2000. 20: p. 395-430.
  6. Ronald Ross Watson, V.R.P., Sherma Zibadi, Alcohol, Nutrition, and Health Consequences, ed. V.R.P. Ronald Ross Watson, Sherma Zibadi. 2013. 571.
  7. Plauth, M., et al., ESPEN guideline on clinical nutrition in liver disease. Clin Nutr, 2019. 38(2): p. 485-521.
  8. Plauth, M., et al., S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGVS. Klinische Ernährung in der Gastroenterologie (Teil 1) – Leber. Aktuelle Ernährungsmedizin, 2014. 39(01): p. e1-e42.
  9. EASL, EASL Clinical Practice Guidelines on nutrition in chronic liver disease. J Hepatol, 2019. 70(1): p. 172-193.
  10. Plauth, M., et al., ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Liver disease. Clin Nutr, 2006. 25(2): p. 285-94.

Autorenschaft:

Valentina Huwiler, PhD, Ernährungswissenschaftlerin, Inselspital Bern
Guido Stirnimann, MD, Hepatologe, Inselspital Bern

Information NutriGo

Anwendungsorientierte praktische Empfehlungen für die Ernährungstherapie in verschiedenen klinischen Situationen basierend auf aktuellen Richtlinien

Die Behandlung einer Mangelernährung ist ein zentraler Bestandteil in der intial- und fortführenden Therapie von Spitalpatientinnen und -patienten, um die Körperfunktion und Lebensqualität zu erhalten/verbessern und das Komplikationsrisiko bis zur Mortalität zu reduzieren. Die Therapie sollte der zugrundeliegenden Krankheit angepasst werden. NutriGo fasst die Behandlungsstrategien für verschiedene klinische Situationen zusammen und gibt praktische Hinweise zur Umsetzung.

Die Empfehlungen basieren auf den anerkannten aktuellen Richtlinien der jeweiligen klinischen Situation. Durch Eingabe des Körpergewichtes der Patientinnen und Patienten kann der Mikro- und Makronährstoffbedarf anhand einer einfachen Multiplikation berechnet werden, falls der Bedarf in den entsprechenden Richtlinien präzisiert ist. Zusätzliche Anpassungen sind erforderlich für Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten BMI (>28 kg/m2), Aszites, Untergewicht, erhöhtem Alter und gesteigerter/reduzierter körperlicher Aktivität.

Abkürzungsverzeichnis

BMI  Body Mass Index