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Lebertransplantation

Definition

Durch die Lebertransplantation wird die Funktion der Leber wiederhergestellt. Einige Aspekte, die bei der Ernährung vor und nach der Transplantation berücksichtigt werden sollten, sind hier beschrieben.

Auswirkungen auf den Ernährungszustand

Mehrere Studien zeigen eine erhöhte Mortalität nach Lebertransplantation bei Patient:innen mit Sarkopenie, Mangelernährung, Hypermetabolismus und Adipositas 1,2. Insbesondere bei Patient:innen mit Leberzirrhose ist Mangelernährung häufig und ein Screening mit einem validierten Tool (Nutritional Risk Score 2002 [NRS 2002] oder Subjective Global Assessment [SGA]), gefolgt von einem Assessment sind für die Erkennung und Behandlung von Mangelernährung vor der Transplantation zentral. Präoperative Patient:innen sollten nach dem ERAS-Konzept betreut werden, um die Nüchternphasen zu minimieren 3.

Nährstoffbedarf von Patient:innen mit Operation oder Lebertransplantation. Anpassungen nötig für mangelernährte Patient:innen, körperliche Aktivität und Alter der Patient:innen. Als Gewicht gilt das Adjusted Body Weight (ADJ) ab BMI 28, ansonsten das Körpergewicht vor Spitaleintritt.  
KG = Körpergewicht; d = Tag.

Nährstoff Täglicher Bedarf (pro kg KG)
Protein Normalgewicht 1.2 1.5

g/kg KG/d 4

  Adipositas 2.0 2.5

g/kg KG/d 4

Energie Normalgewicht 30 35

kcal/kg KG/d 4

  Adipositas 25

kcal/kg KG/d 4

Flüssigkeit Keine Restriktion,

, ausser bei Überwässerung/Aszites

Bitte füllen Sie das Gewicht aus

Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente

  • Abdeckung Tagesbedarf
  • Fettlösliche Vitamine: Vitamin D Supplementierung auf >75 nmol/L; Vitamin A Mangel häufig
  • Spurenelemente: Supplementierung von Zink bei Defizit

Ziel der Ernährungstherapie

  • Aufrechterhalten oder Verbesserung des Ernährungszustandes
  • Vermeidung von Mangelernährung oder von Nährstoffdefiziten
  • Frühzeitige Ernährung (innerhalb von 12-24 h) nach Lebertransplantation
  • Postoperative Ernährungsrehabilitation mit Wiederherstellung des Gesamtkörperproteins und Muskelfunktion

Der Energie- und Proteinbedarf sollte, wenn immer möglich, mit oraler Ernährung gedeckt werden. Falls mit Anreicherung, Zwischenmahlzeiten oder Trinknahrungen weniger als 75% des Bedarfs gedeckt werden, sollte spätestens nach 5 Tagen auf enterale Ernährung als Ergänzung eskaliert werden. Eine komplementäre parenterale Ernährung ist indiziert, wenn weniger als 75% des Bedarfes durch enterale plus/minus orale Ernährung gedeckt wird. Details siehe Kapitel enterale und parenterale Ernährung.

Präoperative Ernährung

Die Proteinzufuhr sollte in der präoperativen Phase nicht reduziert werden, da eine Proteineinnahme unter 0.8 g/kg Körpergewicht pro Tag die Warteliste-Mortalität erhöht 4.

Sib Feeds, Mikronährstoffsupplementierung, enterale oder parenterale Ernährung können den präoperative Ernährungszustand der Patient:innen verbessern 8,9. Die Verabreichung von Probiotika kann die Infektionsrate senken und die Normalisierung von ALT, AST und Bilirubin nach der Operation beschleunigen 10. Die Evidenz für Supplementierung von verzweigtkettigen Aminosäuren (branched-chain amino acids, BCAAs) ist nicht ausreichend 7.

Postoperative Ernährung

Nach der Transplantation sollten Patient:innen in den ersten 12 bis 24 Stunden normale Nahrung oder enterale Ernährung erhalten, wenn die orale Ernährung noch unzureichend ist. Eine reduzierte Energiezufuhr von <18 kcal in den ersten 48 Stunden nach der Operation kann von Vorteil sein5. Wenn orale Ernährung kontrainduziert ist, wird eine enterale Ernährung eingesetzt.

Eine frühe enterale Ernährung (nasogastral oder nasojejunal) wird in der Regel gut toleriert und kann die Komplikationsrate und die Kosten reduzieren. Eine BCAA angereicherte Nährlösung kann bei Patient:innen mit Enzephalopathie con Vorteil sein 4.

Parenterale Ernährung soll nur bei Patient:innen eingesetzt werden, bei denen eine enterale Ernährung  kontraindiziert ist, z.B. bei fehlenden Husten- und Schluckreflexen und ungeschützten Atemwegen. Standardprodukte reichen in der Regel aus. Spezifische immunstärkende Nährlösungen konnten bisher keine Reduktion der Mortalität und der Morbidität aufzeigen im Vergleich zu Standardlösungen 8,9. MCT/LCT Emulsionen mit einem reduzierten Gehalt an ungesättigten ω-6 Fettsäuren können bei der parenteralen Ernährung die Funktion des retikuloendothelialen Systems verbessern 4,5.

Praktische Hinweise, falls indiziert

  • Die Ernährung kann möglichen Nebenwirkungen der Steroidtherapie entgegenwirken.
  • Ausreichende Eiweisszufuhr für den Erhalt der Muskelfunktion sowie erhöhte Kalzium Zufuhr zur Erhaltung der Knochendichte:
    • Zu jeder Hauptmahlzeit eine Proteinbeilage konsumieren, tierische (z.B. Fleisch, Fisch, Geflügel, Eier, Milchprodukte) und pflanzliche (z.B. Tofu, Hülsenfrüchte) Proteinlieferanten einbeziehen, die Proteinzufuhr dem Bedarf anpassen.
    • Proteinangereicherte Milchmischgetränke oder Joghurt bei Bedarf.
    • Mindestens drei Portionen Milch, Milchprodukte oder kalziumreiche Kuhmilchalternativen.
    • Vitamin D Einnahme zusammen mit Kalziumzufuhr empfohlen.
  • Prävention von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes: Konsum von zuckerfreien bzw. –armen Getränken.
  • Zur Vermeidung einer diabetischen Stoffwechsellage zuckerfreie bzgl. –arme Getränke bevorzugen und Fruchtsäfte, Smoothies und Süssgetränke meiden.
  • Vorbeugung von Fetteinlagerungen im Körper und erhöhten Lipidwerten im Blut durch Beachten der Fettzufuhr (Lebensmittelwahl, Zubereitung).
  • Gewichtszunahme durch eine isokalorische, ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung vermeiden und Hungerattacken durch eine regelmässige Mahlzeiteneinnahme vorbeugen. CAVE: Gewichtszunahme bei schwerer Mangelernährung und Sarkopenie erwünscht.

Monitoring

  • Überprüfung des Glukosemetabolismus indiziert aufgrund häufiger Störung im Zusammenhang mit Insulinresistenz oder Steroidtherapie als Teil der Immunsuppression in der frühen postoperativen Phase; Hyperglykämie kann durch Verminderung der Glukosezufuhr verhindert oder reduziert werden 4.

Besonderes

  • Unmittelbar nach einer Lebertransplantation kommt es zu einer Abnahme des Gesamtkörperproteins um 1 kg, vorwiegend durch Skelettmuskelverlust. Oft konnte dieser Verlust auch 12 Monate nach der Operation nicht wieder ausgeglichen werden, was sich auch in der Funktion der Atemmuskulatur widerspiegelt. Eine schnelle Rehabilitierung der Muskelfunktion und des Gesamtkörperproteins soll angestrebt werden 4. Dies wird durch regelmässige körperliche Aktivität unterstützt und sollte dem aktuellen Trainingszustand angepasst werden.
  • Nach einer Lebertransplantation steigt das Risiko einer sarkopenen Adipositas und der Entwicklung des metabolischen Syndroms. Zudem wird die kardiovaskuläre Morbidität als Langzeitfolge erhöht 11. Die Einhaltung eines strukturierten Bewegungs- und Ernährungsprotokolls kann das Risiko reduzieren 4.

Medikamente/Supplemente

  • Vermeidung von Lebensmittelinteraktionen mit Immunosuppresiva (z.B. Grapefruit, Granatapfel, Pomelo, Sternfrucht, Johanniskraut)
  • Vitamin A und Vitamin D
  • Zink
  • Probiotika (nach Rücksprache mit Arzt:in)
  1. Sobotka, L., BASICS IN CLINICAL NUTRITION. 2020, [S.l.]: GALEN.
  2. Canbay, A., et al., Overweight patients are more susceptible for acute liver failure. Hepatogastroenterology, 2005. 52(65): p. 1516-20.
  3. Gustafsson, U.O., et al., Guidelines for Perioperative Care in Elective Colorectal Surgery: Enhanced Recovery After Surgery (ERAS(®)) Society Recommendations: 2018. World J Surg, 2019. 43(3): p. 659-695.
  4. Plauth, M., et al., ESPEN guideline on clinical nutrition in liver disease. Clin Nutr, 2019. 38(2): p. 485-521.
  5. EASL, EASL Clinical Practice Guidelines on nutrition in chronic liver disease. J Hepatol, 2019. 70(1): p. 172-193.
  6. Carrier, F.M., et al., Restrictive fluid management strategies and outcomes in liver transplantation: a systematic review. Can J Anaesth, 2020. 67(1): p. 109-127.
  7. Bischoff, S.C., et al., ESPEN practical guideline: Clinical nutrition in liver disease. Clin Nutr, 2020. 39(12): p. 3533-3562.
  8. Plauth, M., et al., ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Liver disease. Clin Nutr, 2006. 25(2): p. 285-94.
  9. Plauth, M., et al., ESPEN guidelines for nutrition in liver disease and transplantation. Clin Nutr, 1997. 16(2): p. 43-55.
  10. Grąt, M., et al., Effects of continuous use of probiotics before liver transplantation: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Clin Nutr, 2017. 36(6): p. 1530-1539.
  11. Schütz, T., et al., Weight gain in long-term survivors of kidney or liver transplantation--another paradigm of sarcopenic obesity? Nutrition, 2012. 28(4): p. 378-83.

Autorenschaft:

Valentina Huwiler, PhD, Ernährungswissenschaftlerin, Inselspital Bern
Guido Stirnimann, MD, Hepatologe, Inselspital Bern

Information NutriGo

Anwendungsorientierte praktische Empfehlungen für die Ernährungstherapie in verschiedenen klinischen Situationen basierend auf aktuellen Richtlinien

Die Behandlung einer Mangelernährung ist ein zentraler Bestandteil in der intial- und fortführenden Therapie von Spitalpatientinnen und -patienten, um die Körperfunktion und Lebensqualität zu erhalten/verbessern und das Komplikationsrisiko bis zur Mortalität zu reduzieren. Die Therapie sollte der zugrundeliegenden Krankheit angepasst werden. NutriGo fasst die Behandlungsstrategien für verschiedene klinische Situationen zusammen und gibt praktische Hinweise zur Umsetzung.

Die Empfehlungen basieren auf den anerkannten aktuellen Richtlinien der jeweiligen klinischen Situation. Durch Eingabe des Körpergewichtes der Patientinnen und Patienten kann der Mikro- und Makronährstoffbedarf anhand einer einfachen Multiplikation berechnet werden, falls der Bedarf in den entsprechenden Richtlinien präzisiert ist. Zusätzliche Anpassungen sind erforderlich für Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten BMI (>28 kg/m2), Aszites, Untergewicht, erhöhtem Alter und gesteigerter/reduzierter körperlicher Aktivität.

Abkürzungsverzeichnis

BMI  Body Mass Index