Chronische Pankreatitis
Definition
Die chronische Pankreatitis zeichnet sich durch eine chronische Entzündung der Pankreas aus. Alkoholabusus ist mit 60-70% der häufigste Risikofaktor. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer Fibrose, bei der Bindegewebe das Pankreasparenchym ersetzt. Infolgedessen verliert das exokrine und endokrine Pankreasgewebe seine Funktionsfähigkeit und es kann zu einer exokrinen und endokrinen Insuffizienz kommen. Dieser Prozess ist progressiv und irreversibel. Zu den langfristigen Komplikationen gehören exokrine Pankreasinsuffizienz mit Mangelernährung, Diabetes mellitus und Pankreaskarzinom.1,2
Auswirkungen auf den Ernährungszustand
Bei etwa 30% aller Betroffenen besteht das Risiko einer Mangelernährung, die in erster Linie durch abdominale Schmerzen, verminderte orale Aufnahme, exokrine und endokrine Dysfunktion und erhöhten Grundumsatz verursacht wird. Der Schweregrad und die Dauer der Pankreatitis, Alkoholabusus, Diabetes mellitus und Rauchen beeinflussen das Ausmass der Mangelernährung. Die exokrine Pankreasinsuffizienz führt zu Maldigestion mit Steatorrhoe und Azotorrhoe und begünstigt zahlreiche Defizite und Komplikationen (z.B. Protein-, Vitaminmangel, schwere Osteoporose, Knochenverluste). Ein frühzeitiges Screening und anschliessende Prävention/Behandlung einer Mangelernährung ist von entscheidender Bedeutung, um den Verlust von fettfreier Masse und/ oder Sarkopenie zu verhindern, welche häufig die körperliche Funktion und Lebensqualität beeinträchtigen. 1,2
Nährstoffbedarf von Patient:innen mit chronischer Pankreatitis. Anpassungen nötig für mangelernährte Patient:innen, körperliche Aktivität und Alter des Patient:innen. Als Gewicht gilt das Adjusted Body Weight (ADJ) ab BMI 28, ansonsten Körpergewicht vor Spitaleintritt.
KG = Körpergewicht; d = Tag
Bitte füllen Sie das Gewicht aus
* 30-40% der Energie sollte in Form von Lipiden (v.a. pflanzliche Fette) zugeführt werden.
- Vitamine und Spurenelemente:
- Defizite gezielt supplementieren
- Fettlösliche Vitamine (A, E, D, K), wasserlösliche Vitamine (B12, Folsäure, Thiamin) und Mineralstoffe (Mg, Fe, Se, Zn) bei Mangel (tiefe Konzentration oder klinische Symptome)
Ziele der Ernährungstherapie
- Aufrechterhaltung/Verbesserung des Ernährungszustands und der Körperfunktionen
- Vermeidung von Mangelernährung/Nährstoffdefizite
- Maldigestion therapieren/substituieren
Alle 12 Monate sollten die Patient:innen auf Mikro-und Makronährstoffdefizite untersucht und bei Bedarf behandelt werden (Details siehe Monitoring/Besonderes unten). Bei schwerer Erkrankung oder unkontrollierter Malabsorption sollte das Screening häufiger durchgeführt werden1.
Der Energie- und Proteinbedarf sollte, wenn immer möglich, durch orale Ernährung gedeckt werden, unabhängig von der Lipasekonzentrationen im Serum bei Patient:innen mit milder akuter Pankreatitis. Falls auch mit Anreicherung, Zwischenmahlzeiten oder Trinknahrungen weniger als 75% des Bedarfs gedeckt werden, sollte spätestens nach 5 Tagen auf ergänzende enterale Ernährung eskaliert werden. Eine komplementäre parenterale Ernährung ist indiziert, wenn weniger als 75% des Bedarfes durch orale und/oder enterale Ernährung gedeckt werden.
Orale Ernährung
Ernähungsrestriktionen sind grundsätzlich nicht erforderlich. Eine Fettrestriktion wird nur empfohlen, wenn Enzymsubstitution nicht ausreicht und eine unkontrollierte Steatorrhoe fortbesteht. Mangelernährte Patient:innen sollten die Protein- und Energieaufnahme erhöhen, ansonsten ist eine ausgewogene Ernährung in der Regel ausreichend. Wird der Protein- und Energiebedarf durch orale Ernährung auch mit Anreicherungen unzureichend abgedeckt, sollten orale Trinknahrungen verschrieben werden.
Wenn die Malabsorption trotz Enzymsupplementierung und Ausschluss einer bakteriellen Überbesiedelung fortbesteht, sind Trinknahrungen mit mittelkettigen Triglyceriden indiziert. Mittelkettige Triglyceride werden unabhängig von Lipasen, Colipasen und Gallensäuren direkt aus dem Dünndarm in die Pfortader resorbiert (CAVE: Kann Krämpfe, Nausea und Diarrhoe verursachen).1
Praktische Hinweise, falls indiziert:
Bei Nährstoffdefiziten:
• Anzahl der Mahlzeiten erhöhen auf 5-6 pro Tag1
• Proteinanreicherung
• Energieanreicherung, CAVE: Kohlenhydrate bei Diabetes mellitus
• Orale Trinknahrungen, CAVE: bei Diabetes mellitus
Enterale Ernährung
Enterale Ernährung wird zur Aufrechterhaltung des Ernährungszustandes eingesetzt, wenn Patient:innen nicht mehr in der Lage sind, ausreichend Nahrung oral aufzunehmen. Zu den Ursachen gehören anatomische Gründe (z.B. Duodenalstenose), inflammatorische Komplikationen (z.B. Auftreten einer akuten Pankreatitis) und längere Nüchternphasen (z.B. aufgrund wiederholter medizinischer Eingriffe). Grundsätzlich werden nasale Sonden empfohlen, ausser bei langfristiger Sondenernährung (>4 Wochen), in diesem Fall werden perkutane Sonden (PEG-J, DPEJ oder FKJ) empfohlen. Wenn Standardprodukte nicht toleriert werden, kommen niedermolekulare Produkte zum Einsatz. Klinische Daten über den Nutzen von hochmolekularen Diäten fehlen. Eine Pankreasenzym-Ersatztherapie ist bei manifester exokriner Pankreasinsuffizienz zwingend einzusetzen1. Die perioperative enterale Ernährung kann zur Verbesserung des Outcomes beitragen (z.B. Reduktion von postoperativen Infektionen, Verkürzung des Spitalaufenthaltes)3.
Parenterale Ernährung
Parenterale Ernährung ist bei chronischer Pankreatitis selten und oft nur für kurze Zeit notwendig. Indikationen sind z.B. Magenausgangsstenose, komplexe Fisteln oder Intoleranz gegenüber enteraler Ernährung. In der Regel wird ein zentralvenöser Zugang benötigt1.
Monitoring
- Mikro- und Makronährstoffdefizite: Assessment sollte mindestens alle 12 Monate erfolgen, bei schwerer Erkrankung oder anhaltender Malabsorption häufiger1.
- Erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko: Frühzeitige Erkennung (z.B. Dual-energy X-ray absorptiometry, DXA) und präventive Massnahmen evaluieren (z.B. adäquate Zufuhr von Kalzium und Vitamin D).
- Effektivität der Pankreasenzym-Ersatztherapie: Evaluierung der Wirksamkeit anhand der gastrointestinalen Symptome und der anthropometrischen und biochemischen Ernährungsparameter. Wenn Patient:innen nicht auf die Ersatztherapie ansprechen, sollten Pankreasfunktionstests (fäkale Fettausscheidung oder 13C-MTG-Atemtest) durchgeführt werden.
Erfassung des Ernährungszustandes, adaptiert von1.
Anthropometrisch |
Körperzusammensetzung |
Biochemisch |
Symptome |
Körpergewicht | CT/US des Muskelspeicher (Muskelmasse) | Fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) | Nahrungsaufnahme |
Funktionelles Assessment (z.B. Faustschlusskraft, 6-Minuten-Gehtest, Aufstehtest) |
DXA Abtastung |
Knochengesundheit (Parathormone) | Appetit |
Hautfaltendicke, Taillenumfang, Mittelarm-Muskel-Umfang | Spurenelemente (Magnesium, Selen, Zink) |
Symptome mit Auswirkung auf orale Aufnahme (Übelkeit/Schmerzen/Verdauungsstörungen/ frühe Sättigung) |
|
Aszites/Ödeme | Anämie-Screening (Eisen, B12, Folsäure, Ferritin und CRP) |
Vorhandensein einer exokrinen/ endokrinen Dysfunktion |
|
Glykämie Kontrolle (HbA1c, Glukose) |
Besonderes
• Alkoholkonsum und Rauchen: Sollte generell vermieden werden1,2.
• Nahrungsfasern: Interferenz von Nahrungsfasern mit der Pankreasenzym-Ersatztherapie und dadurch Begünstigung einer Malabsorption. Von einer besonders ballaststoffreichen Ernährung wird abgeraten1.
Medikamente/Supplemente
• Substitution von Pankreasenzymen gegen Maldigestion. Je nach Schwere der Erkrankung und der Mahlzeit (Grösse, Zusammensetzung) sollten mindestens 20’000-50'000 PhU verabreicht werden, bei Zwischenmahlzeiten die Hälfte. Die Enzyme sollten direkt vor oder während der Mahlzeit verabreicht werden. CAVE: Nahrungsfasern Interferenz1.
• Säureinhibitoren (Protonen-Pumpe Inhibitor) bei nicht / ungenügender Wirkung der Pankreasenzym Substitution. Die Senkung des pHs-Wertes im Duodenum kann die Lipasen-Inaktivierung im Dünndarm verhindern1.
• Analgetikum zur Unterdrückung der Schmerzempfindung.
• Substitution von Lipase und/oder mittelkettigen Triglyceriden bei Steatorrhoe zur Erhöhung der Lipidresorption1.
- Arvanitakis, M., et al., ESPEN guideline on clinical nutrition in acute and chronic pancreatitis. Clin Nutr, 2020. 39(3): p. 612-631.
- Löhr, J.M., et al., United European Gastroenterology evidence-based guidelines for the diagnosis and therapy of chronic pancreatitis (HaPanEU). United European Gastroenterol J, 2017. 5(2): p. 153-199.
- Sobotka, L., Basics in clinical nutrition Fifth Edition. 2019.
Autorenschaft:
Valentina Huwiler, PhD, Ernährungswissenschafterlin, Inselspital Bern
Zeno Stanga, MD, Ernährungsmediziner, Inselspital Bern