Kardiologie und Pneumologie
Definition
Chronische Herzinsuffizienz
Die chronische Herzinsuffizienz ist ein klinisches Syndrom, charakterisiert durch typische Symptome wie Müdigkeit, Atemnot und Leistungsintoleranz aufgrund von Wassereinlagerungen auf der Lunge, in den Beinen, in den Gefässen, im Gastrointestinal-Trakt und gelegentlich auch im Bauchraum. Ursächlich für die chronische Herzinsuffizienz sind strukturelle und/oder funktionelle Veränderungen des Herzens (z.B. nach Herzinfarkt, bei langjährigem Bluthochdruck), welche zu einer verminderten Herzleistung in Ruhe und bei Belastung führen 1, 2.
Chronisch respiratorische Insuffizienz
Eine respiratorische Insuffizienz kann durch verschiedene Lungenerkrankungen wie z.B. COPD, Asthma, Lungenfibrose, Sarkoidose, Infektionen oder Tumore verursacht werden 3. Die häufigste Ursache für die chronische Atemwegsinsuffizienz sowie die dritthäufigste Todesursache weltweit ist die COPD. In ca. 70% der Fälle ist die COPD auf Zigarettenrauchen zurückzuführen 4.
Auswirkungen auf Stoffwechsel und den Ernährungszustand
Chronische Herzinsuffizienz
Die Prävalenz der kardialen Kachexie liegt je nach Definition und Studienpopulation zwischen 8-42% 2. Komplexe neurohormonelle und immunologische Veränderungen führen zu einem anhaltenden katabolen Zustand. Ein erhöhter Plasmaspiegel an Katecholaminen, Cortisol, Aldosteron und Renin, eine Steroid- und Wachstumshormonresistenz sowie eine Aktivierung von inflammatorischen Zytokinen scheinen eine wichtige Rolle in der Entwicklung einer kardialen Kachexie zu spielen. Das gastrointestinale Ödem – hervorgerufen durch einen Rückstau des Blutes - führt zur Malabsorption und Inappetenz. Atemnot und Müdigkeit führen zur verminderten körperlichen Aktivität mit Verlust an Muskelmasse 2, 3, 5.
Chronisch respiratorische Insuffizienz
Gewebehypoxie, Alterungsprozesse, erhöhte Atemarbeit, erhöhter Ruhestoffwechsel und chronische Entzündungsprozesse führen zu einer katabolen Stoffwechsellage. Inappetenz mit konsekutiv verminderter oraler Nahrungsaufnahme tritt bei Patienten mit COPD vermehrt auf. Es ist davon auszugehen, dass die Hypoxie per se einen negativen Einfluss auf den Appetit hat. Zudem kann das Kauen und Schlucken, insbesondere in Phasen einer akuten COPD-Exazerbation aufgrund der eingeschränkten Atmung reduziert sein 3. Die in der Therapie der COPD oft therapeutisch genutzten Kortikosteroide führen zu einem zusätzlichen Verlust an Muskelmasse. Letzteres betrifft im Sinne eins circulus vitiosus auch die Atemhilfsmuskulatur, was die respiratorische Insuffizienz wiederum verstärkt und schliesslich zum respiratorischen Versagen führt.
Der Energiebedarf von polymorbiden stationären Patient:innen kann mittels indirekter Kalorimetrie ermittelt oder durch Vorhersagegleichungen (z.B. Harris-Benedict) sowie gewichtsbasierten Formeln geschätzt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Genauigkeit der Vorhersagegleichungen sowie der gewichtsbasierten Formeln in dieser Population gering ist 6, 7.
Es sollte eine Zufuhr von mindestens 75% des berechneten Energie- und Proteinbedarfs erreicht werden, um die Morbidität und Mortalität zu verringern 6.
Nährstoffbedarf von Patient:innen mit Lungen- oder Herzerkrankungen. Anpassungen nötig für mangelernährte Patient:innen, körperliche Aktivität und Alter der Patient:innen. Als Gewicht gilt das Adjusted Body Weight (ADJ) ab BMI 28, ansonsten Körpergewicht vor Spitaleintritt 3. KG = Körpergewicht; d = Tag
Bitte füllen Sie das Gewicht aus
Ziele der Ernährungstherapie
- Aufrechterhaltung/Verbesserung Ernährungszustand und Körperfunktion
- Vermeidung Mangelernährung/Nährstoffdefiziten
- Vermeiden eines Flüssigkeits- und Salzüberschusses bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz
- Häufige, kleine Mahlzeiten zur Vermeidung postprandialer Dyspnoe mit Ziel der verbesserten Compliance bei Patient:innen mit chronisch respiratorischer Insuffizienz
Um mangelernährte Patient:innen frühzeitig zu erkennen, sollte ein Nutritional Risk Screening mindestens zwei Mal im Jahr durchgeführt werden.
Der Energie- und Proteinbedarf sollte, wenn immer möglich, durch orale Ernährung gedeckt werden. Falls auch mit Anreicherung, Zwischenmahlzeiten oder Trinknahrungen weniger als 75% des Bedarfs gedeckt werden, sollte spätestens nach 5 Tagen auf ergänzende enterale Ernährung eskaliert werden. Eine komplementäre parenterale Ernährung ist indiziert, wenn weniger als 75% des Bedarfes durch orale und/oder enterale Ernährung gedeckt werden. Details siehe Kapitel enterale und parenterale Ernährung (Link).
Orale Ernährung
Diäten zur Optimierung des kardiovaskulären Risikos
Diäten wie low-fat diet, low-carbohydrate diet, mediterranean diet sowie die DASH diet vermögen das kardiovaskuläre Risiko in Kombination mit weiteren Lebensstilmassnahmen (Reduktion des Übergewichts, erhöhte körperliche Aktivität, Salzrestriktion und limitiertem Alkoholkonsum) zu verringern und sollten individuell nach Patientenpräferenzen empfohlen werden. Langfristige Daten über deren Auswirkung fehlen jedoch.
Enterale und parenterale Ernährung
Herzinsuffizienz
Obwohl die Evidenz aus guten Studien fehlt, wird eine enterale/parenterale Ernährung bei kardialer Kachexie empfohlen, um ein Fortschreiten des Gewichtsverlustes zu verhindern. Eine enterale/parenterale Ernährung zur Prophylaxe der kadialen Kachexie wird nicht empfohlen.
Bis auf ein Monitoring des Volumenstatus bestehen keine Kontraindikation für eine enterale/parenterale Ernährung bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz.
Chronisch respiratorische Insuffizienz
Es gibt keine Daten zur enteralen/parenteralen Ernährung bei Patient:innen mit COPD. Nach Expertenmeinung kann von einer Indikation für eine bilanzierte enterale Ernährung in der Behandlung der Kachexie bei Patient:innen mit chronischer respiratorischer Insuffizienz ausgegangen werden.
Monitoring
Bei fehlenden Studien kann hierzu keine Empfehlung abgegeben werden.
Cave: Refeeding Syndrome (Rec 11, ESPEN guidelines polymorbid 6)
- McDonagh, T.A., et al., 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J, 2021. 42(36): p. 3599-3726.
- Okoshi, M.P., et al., Cardiac Cachexia: Perspectives for Prevention and Treatment. Arq Bras Cardiol, 2017. 108(1): p. 74-80.
- Anker, S.D., et al., ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Cardiology and pulmonology. Clin Nutr, 2006. 25(2): p. 311-8.
- Organisation, W.H. Chronic obstructive pulmonary disease (COPD). 2023; Available from: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/chronic-obstructive-pulmonary-disease-(copd).
- Hersberger, L., et al., Individualized Nutritional Support for Hospitalized Patients With Chronic Heart Failure. J Am Coll Cardiol, 2021. 77(18): p. 2307-2319.
- Wunderle, C., et al., ESPEN guideline on nutritional support for polymorbid medical inpatients. Clin Nutr, 2023. 42(9): p. 1545-1568.
- Wilson, D.O., et al., Metabolic rate and weight loss in chronic obstructive lung disease. JPEN J Parenter Enteral Nutr, 1990. 14(1): p. 7-11.
- Ernährung, S.G.f. 2023.
- Eilat-Adar, S., et al., Nutritional recommendations for cardiovascular disease prevention. Nutrients, 2013. 5(9): p. 3646-83.
Autorenschaft:
Caroline Rimensberger, MD, Innere Medizin, Inselspital Bern