Wundheilung
Definition
Eine Wunde ist eine Verletzung der Haut. Diese kann sämtliche Hautschichten, die Muskulatur und unterstützenden Strukturen betreffen und mit einem Gewebeverlust einhergehen. Aus physiologischer Sicht ist die Wundheilung ein äusserst komplexer Prozess, der in mehreren Phasen abläuft (Inflammation, Proliferation, Maturation)1-3. Man unterscheidet akute von chronischen Wunden wobei eine Heilungsdauer von >12 Wochen als chronischer Wundverlauf beschrieben wird3. Es gibt verschiedene Wundarten mit vielfältigen Ätiologien. Häufig anzutreffen sind chirurgische Wunden, Dekubiti, venöse oder arterielle Ulzerationen und das diabetische Fusssyndrom. Auf diese Wundarten wird hier fokussiert. Venöse und arterielle Ulzerationen sowie das diabetische Fusssyndrom verlaufen oft chronisch. Chirurgische Wunden heilen im Optimalfall innerhalb von wenigen Wochen ab.
Auswirkungen auf den Stoffwechsel und den Ernährungszustand
Ein Wundverschluss ist mit einem erhöhten Bedarf an Energie, Protein und Mikronährstoffen verbunden. Der Mehrbedarf ist abhängig von der Wundgrösse und dem zugrundeliegenden Stoffwechsel. Eine verzögerte Wundheilung ist lediglich bei einer Infektion des Wundgebiets oder einer schweren Mangelernährung mit einem Verlust von mindestens 20% der fettfreien Masse zu erwarten, da metabolisch die Proteindistribution ins Wundgewebe priorisiert und bei zu tiefer Aufnahme die Muskulatur als Proteinreserve mobilisiert wird4. Dies kann bei unzureichender Aufnahme eine Protein-Energie-Mangelernährung (PEM) begünstigen und die Rehabilitationszeit verzögern. Deshalb sollten Wundpatient:innen auf das Risiko für eine PEM gescreent und die ernährungstherapeutische Behandlung bei bestehendem Risiko zeitnah initiiert werden5.
Limitierende Faktoren in Bezug auf den Appetit und die Aufnahme:
- Grundmorbus, Komorbiditäten
- Wundbedingte Schmerzen
- Schmerzen aufgrund der Wundbehandlung und/oder der Verbandswechsel
- Nüchternphasen, welche für Wechsel von Vakuumverbänden im Operationssaal nötig sein können
Nährstoffbedarf von Patient:innen mit Wunden. Anpassungen nötig für mangelernährte Patient:innen, körperliche Aktivität und Alter des Patient:innen. Als Gewicht gilt das Adjusted Body Weight (ADJ) ab BMI 28, ansonsten das Körpergewicht vor Spitaleintritt.
KG = Körpergewicht; d = Tag
Nährstoff | Täglicher Bedarf (per kg KG) | |
---|---|---|
Protein | Chronische Wunde, Risiko für PEM oder manifeste PEM |
1.25
–
1.5
g 5,6 |
Postoperativ |
1.5
g 7 |
|
Energie | Wundpatient:in ohne PEM oder Risiko für eine PEM |
25
–
30
kcal 5,6 |
Chronische Wunde, Risiko für PEM oder manifeste PEM |
30
–
35
kcal 5,6 |
|
Postoperativ |
25
–
30
kcal 7 |
|
Flüssigkeit |
30
–
40
mL 8 |
Bitte füllen Sie das Gewicht aus
CAVE Niereninsuffizienz: Es sind tiefere Proteinmengen empfohlen (siehe Nierenkapitel). Da die Wundheilung in der medizinischen Versorgung oft prioritär ist, können nach Absprache mit der Ärzteschaft unter engmaschigem Monitoring der Nierenwerte obengenannte Proteinmengen angestrebt werden.
Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente
Der Mehrbedarf an Mikronährstoffen verursacht durch die Wundheilung ist nicht bekannt. Es sind jedoch alle Vitamine und die meisten Mineralstoffe am Wundheilungsprozess beteiligt. Deshalb ist eine Abdeckung der Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr sinnvoll1,5. Spezifische Substitutionen werden nur bei nachgewiesenem Mangel oder bei gutem Nutzen-Risiko-Verhältnis durchgeführt5,9.
Ziele der Ernährungstherapie
- Förderung der Wundheilung
- Prävention einer PEM
- Verbessern und Erhalten des Ernährungszustandes
- Förderung der Kraft und Mobilität
- Erhalten oder Optimieren der Lebensqualität
Orale Ernährung
Energie- und Proteinaufnahme:
Bei einem Risiko für eine PEM oder einer manifesten PEM ist eine individualisierte protein- und energiereiche Ernährung indiziert. Es können energiereiche Lebensmittel, Anreicherungen oder Orale Nahrungssupplemente (ONS) zum Einsatz kommen5.
Proteinqualität & Immunonutrition:
Im Rahmen der peri- oder postoperativen Immunonutrition kann eine Argininsubstitution (in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren und Ribonukleiden) die Inzidenz von Wundinfektionen reduzieren10.
Für Dekubitusbetroffene ist die immunonutritive Kombination mit Arginin, Vitamin C, Zink und weiteren Antioxidantien am besten untersucht11,12.
Bei Dekubituspatient:innen kann alternativ eine isolierte Supplementation von 4.5 g Arginin / Tag in Erwägung gezogen werden12,13.
Eine Supplementation von 15 g Arginin, 15 g Glutamin und 3 g beta-hydroxy-beta-methylbutyrate (HMB) kann bei Patient:innen mit diabetischem Fusssyndrom14-16 oder anderen chronischen Wunden zum Einsatz kommen17.
Flüssigkeitsaufnahme:
Eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung soll sichergestellt werden da eine optimale Hydration für die Perfusion, die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung ins Wundgebiet essenziell ist5. Verluste ersetzen bei Verdacht auf Dehydration.
Mikronährstoffe:
Bei einem Verdacht auf einen Mikronährstoffmangel aufgrund einer unzureichenden Energieaufnahme oder einer einseitigen Ernährungsweise sollte ein Multivitaminpräparat substituiert werden1,5. Da Mikronährstoffe als essenzielle Co-Faktoren der Wundheilung einen limitierenden Faktor darstellen können, sollten Mängel gemäss dem individuellen ernährungstherapeutischen Assessment aufgedeckt werden.
Vitamin C: Bei chirurgischen Patient:innen und Patient:innen mit Fussulzerationen kann eine Supplementation von max. 1000 mg Vitamin C (zweimal 500 mg oder einmal 1000 mg als Retardform) bei schwacher Evidenz und minimalem Risiko ohne eine Kontrolle des Vitamin C Status empfohlen werden9,18. Bei chronischer Niereninsuffizienz ist aufgrund des Oxalatanfalls im Metabolismus Vorsicht geboten. Bei Verdacht auf einen Mangel ist in diesem Fall eine tiefere Dosis von mind. 90 mg/Tag für Männer und mind. 75mg/Tag für Frauen empfohlen19.
Aufgrund des erhöhten Bedarfs im Stressstoffwechsel sind die Antioxidantien Zink und Selen für einen Mangel prädisponiert20.
Zink: Eine Supplementation mit max. 40 mg/d über mindestens 2 Wochen kann bei Dekubituspatient:innen und Patient:innen mit venösen Ulzerationen empfohlen werden, wenn initial ein tiefer Plasma-Zinkspiegel bestimmt wurde9.
Selen: Evidenzen aus Humanstudien für die Förderung der Wundheilung durch eine Selensupplementation fehlen. Eine Substitution soll jedoch bei nachgewiesenem Mangel in Erwägung gezogen werden.
Einstellung diabetischer Stoffwechsellage:
Beim Vorliegen einer diabetischen Stoffwechsellage sollte die Einstellung ohne unnötige Ernährungseinschränkungen optimiert werden da Hyperglykämien mit einer verzögerten Wundheilung assoziiert sind5.
Enterale Ernährung
Eine enterale Ernährung kommt zum Einsatz wenn Patient:innen nicht in der Lage sind, ausreichend Nahrung per os aufzunehmen5. Verschiedene Faktoren können ursächlich in Frage kommen. Im stationären Setting kann es bei grossen Wunden vorkommen, dass der Verbandswechsel eine Zeit lang unter sterilen Bedingungen im Operationssaal durchgeführt werden muss und darum häufige Nüchternzeiten anfallen. In diesen Fällen kann eine ergänzende enterale Ernährung sehr hilfreich sein, um das anfallende Energie- und Proteindefizit zu kompensieren.
Parenterale Ernährung
Die parenterale Ernährung wird nur in Erwägung gezogen, wenn eine enterale Ernährung kontraindiziert ist oder falls die enterale Ernährung aus medizinischen Gründen nicht in adäquater Menge zugeführt werden kann.
Monitoring
Nebst dem Monitoring in Bezug auf den Ernährungszustand und den Flüssigkeitsstatus sollten folgende Parameter überwacht werden
- Veränderung der Wundgröße, -tiefe, -exsudatmenge und -infektion
- Bei diabetischer Stoffwechsellage: HbA1c, Serumglukose
- Schmerzen (Visual analog scale)
- Evtl. Plasma Zink (in Kombination mit Albumin und CRP)20
- Evtl. Plasma Selen (in Kombination mit CRP)20
- Evtl. weitere spezifische Mikronährstoffe gemäss individuellem Assessment
Besonderes
Dekubiti werden in vier Stadien unterteilt, welche das Ausmass beschreiben:
- Stadium 1: Haut noch intakt aber gerötet
- Stadium 2: Sichtbare oberflächliche Schädigung der Epidermis und Dermis
- Stadium 3: Alle Hautschichten und teilweise schon die darunterliegende Muskulatur betroffen
- Stadium 4: Zusätzliche ausgedehnte Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder unterstützenden Strukturen
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Medikamente/Supplemente
Supplemente: siehe Ernährungstherapeutische Massnahmen
Medikamente kommen zur Einstellung von Schmerzen, einer allfälligen diabetischen Stoffwechsellage und gemäss dem Grundmorbus und den Komorbiditäten zum Einsatz.
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Autorenschaft:
Silvia Kurmann, Dozentin, Berner Fachhochschule Ernährung und Diätetik